Angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie sind Reisemobile und Caravans in Deutschland so gefragt wie noch nie. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres wurden rund 75 000 Freizeitfahrzeuge neu zugelassen, wie der Caravaning Industrie Verband (CIVD) am Mittwoch in Düsseldorf berichtete. Das hohe Vorjahresniveau wurde damit noch einmal um 6 Prozent übertroffen. «Caravaning ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen», urteilte CIVD-Geschäftsführer Daniel Onggowinarso.
Insgesamt hofft die Branche in diesem Jahr, 120 000 mobile Eigenheime zu verkaufen, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Doch sicher ist dies noch nicht. Denn aktuell leiden die Hersteller von Reisemobilen und Caravans wie viele andere deutsche Produzenten unter Problemen in der Lieferkette. «Viele Komponenten und Rohstoffe sind aufgrund der Pandemie und stockender Lieferketten aktuell kaum verfügbar, so dass wir die weiterhin sehr hohe Nachfrage teilweise nicht bedienen können», sagte der Branchensprecher eineinhalb Wochen vor dem Start der wichtigsten Branchenmesse, des Caravan Salons in Düsseldorf.
Insbesondere bei den Caravan-Herstellern stünden hunderte Fahrzeuge auf Lager, die praktisch fertig produziert seien, aber nicht ausgeliefert werden könnten, da ein bestimmtes Teil fehle – manchmal nur der Trinkwassereinfüllstutzen oder eine Fensterscheibe.
Angesichts der hohen Nachfrage liegen die Lieferzeiten für selbst konfigurierte Reisemobile und Caravans inzwischen Onggowinarso zufolge ohnehin schon bei neun bis zwölf Monaten. Sofort verfügbare Fahrzeuge seien rar. Hinzu kommt: Wer jetzt noch ein Reisemobil bestellen will, muss damit rechnen, tiefer in die Tasche greifen zu müssen. «Die Preise ziehen an, weil die Lieferketten uns höhere Preise vordiktieren», sagt der CIVD-Geschäftsführer.
Und das zu einer Zeit, in der nach einer repräsentativen Umfrage der Unternehmensberatung gsr unter 10 000 Verbrauchern knapp jeder dritte Mensch in Deutschland dem Caravaning zugeneigt ist, also entweder selbst ein Freizeitfahrzeug besitzt, oder sich vorstellen kann, sich in absehbarer Zeit eines zu kaufen oder zu mieten. Ausschlaggebend ist dabei der Umfrage zufolge für fast die Hälfte der Befragten die Lust an Spaß und Abenteuer. Doch jeder dritte Befragte verwies auch auf das Corona-Virus.
Gut für die Branche: In der Pandemie hat sich die Kundschaft zumindest etwas verjüngt. Lag das Durchschnittsalter von Reisefahrzeugbesitzern zuletzt bei 53 Jahren, so interessieren sich inzwischen auch wieder junge Familien für Reisemobile und vor allem Caravans. «Wir schätzen, dass 30 Prozent der Kunden, die zuletzt ein Fahrzeug gekauft haben, Neueinsteiger sind», sagte Onggowinarso. Das habe bereits spürbare Auswirkungen auf die Gestaltung der Fahrzeuge.
«Viele, die sich mit der Reiseform vorher nicht beschäftigt haben, haben schon einen anderen Anspruch», berichtete der Branchensprecher. Sie erwarteten digitale Angebote auch im Wohnmobil, sowie insgesamt eine einfachere Bedienung des Fahrzeugs. Da passt es ins Bild, dass inzwischen mehr als die Hälfte der neuzugelassenen Reisemobile ausgebaute Kastenwagen auf der Basis des VW Transporter, des Fiat Ducato oder des Renault Trafic sind.
Kompakt und vergleichsweise erschwinglich sind solche Fahrzeuge in den Augen der Branche der ideale Einstieg ins Caravaning. «Wenn man erst einmal einen Kastenwagen hat, will man schnell etwas Größeres», glaubt Onggowinarso.
Und was das angeht, hat der Markt aktuell mehr zu bieten denn je. Das Angebot reicht vom kleinen Wohnanhänger für zwei im Retro-Design bis zum Weltreisemobil mit Allradantrieb und 630-PS-Motor. Und auch in Sachen Zubehör bleiben inzwischen kaum noch Wünsche offen. Geschirrspülmaschinen sind in edlen Reisemobilen inzwischen ebenso zu finden wie Regenduschen. Und wer gut ankommen will, kann sich die Anfahrt mit einem Navigationsgerät erleichtern, dass die Abmessungen des Wohnmobils bei der Streckenplanung berücksichtigt.
Zusätzliche Impulse erwarten die Reisemobil- und Caravan-Hersteller von der weltgrößten Branchenmesse, dem Caravan Salon in Düsseldorf, der am 28. August seine Tore für das breite Publikum öffnet. Dort präsentieren 645 Aussteller ihre Neuheiten.
Allerdings hat der Erfolg der Branche auch seine Schattenseiten. Stellplätze für die Wohnmobile werden allmählich knapp. In den letzten fünf Jahren sei die Zahl der Freizeitfahrzeuge auf deutschen Straßen um 35 Prozent auf rund 1,4 Millionen gestiegen. Doch der Ausbau der Infrastruktur für die Caravaning-Fans hat dabei nicht mitgehalten. Die Zahl der Stellplätze in Deutschland sei im gleichen Zeitraum nur um 5 Prozent gewachsen, berichtete der CIVD-Geschäftsführer.
Dabei verbringen nach der gsr-Umfrage gut zwei Drittel der Caravaning-Fans ihre Urlaube mit Vorliebe in Deutschland. Besonders beliebt sind dabei Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Der CIVD wirbt deshalb inzwischen dafür, neue Wohnmobil-Stellplätze zu bauen.