Dieser Mann liebt die Abwechslung. Spritzen setzen, Schnittverletzungen nähen. Und über neuen Rezepturen brüten – allerdings nicht für seine Patienten. Eigentlich ist Karl-Friedrich Scheible Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Alerheim. Nebenher aber tüftelt er an hochprozentigem Gin aus der Region Bayerisch-Schwaben.
Bayerisch-Schwaben kulinarisch erleben – was soll das bedeuten?
Schauplatz ist die heimische Küche, wo bereits zwei Erzeugnisse entstanden sind, die der 58-Jährige mit seiner Familie auf den Markt gebracht hat. Für die Wacholderbeeren, die Basis für Gin, hat er eine Lizenz zum Sammeln in den Heiden des Nördlinger Ries – eine uralte Kraterlandschaft, entstanden durch einen Meteoriteneinschlag vor rund 15 Millionen Jahren. Sein Produkt mag Scheible übrigens am liebsten ohne Tonic und ohne Eis. Einfach pur in Zimmertemperatur.
Wo sieht er Parallelen zwischen Haupt- und Nebenjob? Der Arzt überlegt kurz und sagt dann: «Bauchgefühl ist dabei, beim einen und beim andern.» Auf chirurgischer Präzision fußen auch seine Gin-Rezepturen – die bewahrt er im Safe auf.
Der steht in der Region Bayerisch-Schwaben – und der Name gibt schon Preis, wo man diese verordnen kann. Da wo sich das bayerische Kultur- und Sprachgut mit dem schwäbischen mischt, im nördlichen Teil des Regierungsbezirkes Schwaben in Bayern mit Augsburg als der größten Stadt.
Bayerisch-Schwaben kulinarisch erleben: Leindotteröl und Wildkräuterlikör
In Bayerisch-Schwaben wimmelt es nur so vor fantasiereichen Köpfen, die nutzen, was ihnen die heimische Landschaft bietet. Dazu gehört auch Siglinde Beck, Kräuterpädagogin und Biobäuerin mit Feldern und Wildfruchthecken unweit der Bierstadt Oettingen. Bei ihren Naturführungen gilt für das Probieren das Prinzip: «All das, wo Menschenhand ohne Hilfsmittel herankommt, ist okay. Alles darüber gehört den Vögeln.»
Ebenso gewissenhaft geht sie bei Pflanzen am Boden vor: «Da soll später niemand bemerken, dass überhaupt gesammelt wurde.» Beck spürt unter den Augen ihrer Gäste Beifuß und Wildgemüse wie den Guten Heinrich auf. Sie verarbeitet Holunderblüten zu Gelee, setzt Wildkräuterlikör an und Essig mit Brunnenkresse. Und Öl presst sie aus Leindotter, was – ihr Tipp – «hervorragend» zu Kartoffelsalat und Kräuterquark passe.
Nicht alles davon ist ihre neue Küche. Denn die 49-Jährige will alte Rezepte bewahren und in Erinnerung halten. Dazu gehört auch, den überlieferten Aberglauben zu beherzigen – etwa einen Holunderstrauch auf dem Hof haben, denn «da wohnt der gute Geist drin».
Bayerisch-Schwaben kulinarisch erleben: Weinbergschnecken ohne Weinberg
Herrin über eine andere Art von Hof ist Monika Samland. Das Terrain ist einen Hektar groß und liegt nahe der Donau bei Nersingen. Die 59-Jährige war mal Floristin und züchtet jetzt Weinbergschnecken. Alljährlich holt sie 40 000 «schwäbische Austern», wie sie diese Schnecken nennt, aus ihrem Zuchtgelände und beliefert damit die Gastronomie – lebend oder eingekocht in Wurzelgemüsebrühe mit Weißwein.
«Schnecken sind nicht schleimig, nur feucht», tritt sie Vorurteilen entgegen. Und gesund seien sie: «Sie haben viel Eiweiß und so gut wie kein Fett.» Außerdem brauchen Weinbergschnecken keinen Weinberg zum Leben, sondern laut Samland «nur kalkhaltigen Boden und ein Gelände, wo sie ihr Futter finden und die Möglichkeit haben, sich zu verstecken».
Ihr Tipp und Leibgericht: das Schneckenfleisch in Champignonköpfe füllen, darauf Bärlauchbutter und im Ofen ausbacken.
Die tolle Knolle aus Leipheim – Bayerisch-Schwaben kulinarisch erleben
Tradition und Innovation verzahnen sich auch bei Stefanie Pröbstle aus Leipheim. Die 39-Jährige ist Köchin und Co-Autorin eines Kochbuchs zu schwäbischen Kartoffelrezepten. Pröbstle schwärmt vom Kartoffel-Fladenbrot, das mehrere Tage hält, und vom Kartoffelteig für Nudeln oder Waffeln. Ihre «Buabaspitzle» – eine Art Schnupfnudel – passen als Beilage zum Schnitzel, als Vorspeise zum Salat oder werden in der süßen Variante mit Walnusseis zum Dessert.
Im Erdapfel steckt für Pröbstle eine tiefere Sicht der Dinge, weg von kulinarischen Moden wie der Molekulargastronomie: «Die Kartoffel erdet uns und holt uns zurück aus dieser verrückten Welt.» Persönlich schwört sie auf die denkbar einfachste Zubereitung der Knollen: «Nur heiß gegart aus dem Ofen. Dann Butter drauf und Salz. Immer mit Schale.» Was ihren Geschmacksnerv nicht trifft, erstaunt dann aber: «Ich mag keine Bratkartoffeln», sagt Pröbstle.
Honig aus Ackerbohnen
Ausnahmslos Süßes im Sinn hat Ursula Lensing. Die 50-jährige Diplom-Biologin, die früher in der pharmazeutischen Industrie tätig war, ist Profi-Imkerin. Mit Folgen – beim Treffen sind ihre Wangen nach einem Stich unter die Nase ein wenig geschwollen. «Als Imker wird man oft gestochen, daran gewöhnt man sich», sagt sie. Bienenvölker seien eben unterschiedlich gelaunt.
Zusammen mit ihrem Lebensgefährten ist sie Besitzerin von 150 Völkern im Wittelsbacher Land. Raritäten der Öko-Produktpalette sind der Ackerbohnenhonig und die Jahrgangshonige. «Diese zeigen, wie unterschiedlich Honig schmecken und aussehen kann, obgleich es dieselben Lagen und dieselben Völker waren, nur in einem anderen Jahr», erläutert Lensing.
Der preisgekrönte Ackerbohnenhonig hat ein feinherbes Aroma. Dass letztlich dieser Honigtyp dabei herauskommt, selbst wenn man Bienenvölker gezielt an die Felder stellt, ist nicht garantiert. Manchmal fliegen sie schlichtweg irgendwo anders hin. «Das entscheiden die Bienen für sich und wird jeden Tag aufs Neue bewertet. Dazu gibt es Kundschafterinnen.»
Hat die Expertin Geheimtipps auf Lager? «Garnelen kann man wunderbar in Honig karamellisieren», sagt Lensing. Und sie vermischt Blütenhonig mit Apfelessig und rät: «Ein Teelöffel pur oder mit Wasser oder Tee verdünnt ist gut vor dem Frühstück, um die Verdauung anzuregen. Oder auch als isotonischer Drink.»
Bauerntorte und Bonbons
Wer in Bayerisch-Schwaben bei Süßem bleiben will, der sollte bei einer Fahrt durch das Nördlinger Ries die gleichnamige Rieser Bauerntorte kosten, beliebt an Festtagen: ein kreisrunder, riesiger Apfelmuskuchen aus Hefeteig.
Und in der Kreisstadt von Donau-Ries, Donauwörth, lohnt sich ein Stopp im Werksverkauf der Bonbonfabrik oder im Shop der Touristeninformation. Hier werden die seit 1864 produzierten Leckereien angeboten, heute zeitgemäß auch in Geschmacksrichtungen wie Caipirinha oder Chili-Schoko. Ein Tipp: Wer Orangendrops mag, muss zu den «Donauwörther Mond-Spritzern» greifen.
Ihr wollt noch mehr in Bayerisch-Schwaben kulinarisch erleben? Dann holt euch hier alle Informationen:
Tourismusverband Allgäu/Bayerisch-Schwaben, Schießgrabenstr. 14, 86150 Augsburg (Tel. 0821 / 450 401 10, www.bayerisch-schwaben.de)