Was für Sagen ranken sich um diese Weiber! Und jeder will sie sehen. … aber wo sind sie denn, die Meerjungfrauen? In Büsum zum Beispiel tauchten sie einst auf, auf Sylt auch heutzutage und mit Fantasy-Faktor. Unterwegs an der Westküste lassen sie sich ebenfalls blicken – ganz offiziell im Wappen von Westerdeichstrich oder im Flaggenshop Sylt in Westerland. Auf Amrum auch.
Man spürt das Meer in Büsum; maritime Momente und der Blick reicht weit über die Nordsee. Wer dem Büsumer Gästelotsen Raimund Donalies zugehört hat, weiß dass hier früher alles ganz anders war: Büsum eine Insel, und ehemalige Orte im Wattenmeer. Donalies führt die Gäste nicht nur durch die Gassen der Hafenstadt, er entführt auch in die Zeit der Geschichten. Es geht auf den Deich, Lichtspiele unter einem dramatischen Himmel über aufgewühlter See. Dann stoppt der Gästelotse im Ort vor einer lebensgroßen Skulptur; feine Holzbildhauerarbeit; wallendes Haar, blanke Brust – und einen Fischschwanz statt der Beine. Eine Meerjungfrau! Und Raimund Donalies kennt eine Geschichte:
„Die drei Fischer Klaus Sone, Reimer Solaken und Hans Dehne aus dem alten Warven haben einst am hellen Mittag ein Meerweib am Strand gesehen“, erzählt Donalies. „Sie hätte sich gekämmt und lange gelbe Haare gehabt, Brüste weiß wie Schnee. Ihrer Lebtage hätten die drei Männer keine schönere Frau gesehen; und sie haben sie lange betrachtet“, berichtet er von der Sage. „Als das Meerweib aber merkte, dass Leute da waren und sie beobachteten, da sei sie wieder Richtung Wasser gegangen.“
„Unten wäre sie wie ein Fisch gewesen, so, wie Meerweiber eben immer gemalt werden.“ Auch dies ist Teil der Erzählung: „Auf dem alten Friedhof im Süden von Büsum soll ebenfalls eine Meerjungfrau gesehen worden sein, diese aber wurde gefangen. Und als man sie fortschleppte, da habe sie ausgerufen – Ich gelobe es euch: so weit, als ihr mich schleppt, soll euer Land wegreißen!“ Dies berichtet der Chronist Neocorus, er nahm 1578 seine Pastorentätigkeit in Büsum auf. Legenden vom Meer, Tatsache aber ist: „Büsum war einst eine Insel, bis sie zur Zeit des Neocorus im Jahre 1585 durch den Bau des Wahrdammes mit dem Festland verbunden wurde“, sagt Raimund Donalies. „Und bereits vor Neocorus ging die Vorgängerkirche des heutigen St. Clemens in den Fluten unter ebenso wie ein ganzes Kirchdorf namens Middeldorp – das liegt heute in der Meldorfer Bucht, im Süden von Büsum.“
Tatsache ist auch: Die Allerheiligen-Flut vom November 1532 war eine der schlimmsten an der Westküste, es gab gewaltige Zerstörungen. „Durch diese Flut sollen auf der Insel Büsum zwei Drittel der Deiche zerstört worden sein – wahrscheinlich ist auch Middeldorp dabei verloren gegangen“, berichtet Raimund Donalies. „Werven oder Warven ist durch die Sturmfluten Heiligabend 1717 und im Februar des darauffolgenden Jahres so in Mitleidenschaft gezogen worden, dass man es aufgab. Das heutige Warwerort ist die Neugründung an sicherer Stelle.“
Büsum ist eine lebendige Hafenstadt; mit maritimen Motiven wohin man blickt. Auch in Hotels und Gaststätten Büsums spiegelt sich dies wider – zum Beispiel im Hotel Tum Stüürmann. Dem „Steuermann“ also, und der ist hier Dirk Wittig, an einem Ort zum Wohlfühlen; gepflegt, angenehm, herzliche Gastgeberschaft der ganzen Crew samt den „Steuerleuten“ Dirk Wittig und Jennifer Aust.
Dirk Wittig ist Büsumer Jung´ und er ist Büsum-Botschafter, weil er sich für seinen Heimatort engagiert und das Authentische verkörpert. Dies im wahren Wortsinn: Wittig – typ: harte Schale/weicher Kern – ist tätowiert mit maritimen Motiven und solchen von Büsum: Kutter und Krabben, Leuchtturm usw. Die Liebe zum Meer im Allgemeinen sowie zu Büsum und seinem Hafen (er kennt diesen Ort und seine Typen seit Kindertagen) im Speziellen merkt man ihm nicht nur an, man sieht sie eben auch. Unkonventionell gewiss und manche Gäste stutzen erst einmal.
„…Ups! sagen sie, wenn sie meine Tattoos sehen – und nach zwei Tagen haben uns alle Gäste ins Herz geschlossen“, sagt Dirk Wittig und meint mit uns auch seine Lebensgefährtin Jennifer Aust. Auch sie trägt Tattoos, ihren Arm zieren zum Beispiel Schiffe und Steuerrad, ein Anker – und auch eine Meerjungfrau. Dieses Motiv erscheint mit wallendem rotem Haar und einem Unterleib in lila und pink, natürlich, auch mit der für Meerweiber typischen Fluke. „Ich finde Meerjungfrauen interessant“, sagt Jenny, „…die Sagen und Legenden, die sich um Meerjungfrauen ranken.“
Mystisch und märchenhaft sind die geheimnisvollen Wesen aus dem Meer. Von Homer bis Hans-Christian Andersen, und weiter auf die Kinoleinwand, sind es weibliche Wesen, die da sagenhaft sind. Sie sind Wesen halb Frau, halb – belassen wir es erstmal so: – Fisch, verkörpern das Vertraute ebenso wie das Fremde. Den sicheren Kurs muss verlassen, wer ihnen folgt. Seit der Antike behaupten die Männer vom Meer, sie gesehen zu haben – junge, verführerisch schöne Frauen, statt Unterleib und Beine etwas, das nach Fisch aussieht. In der Tat sind es oft aber Fluken statt Fischschwanz.
In früheren Zeiten, so die Sage, zeigte sich auch vor Helgoland ein Meerweib. Manchmal tauchte sie nicht als Wesen, halb Frau/halb Fisch, auf, sondern als schöne Jungfrau und freundlich stand sie einer Entbindung auf der Insel bei. Leicht und glücklich war die Geburt des neuen Inselmenschen, wenn das Meerweib zugegen war. Es gab in alter Zeit, so berichtet die Sage weiter, auf Helgoland gewisse – und überaus schöne – Mädchen, die man für Töchter des Meerweibes hielt. Und vor denen man deshalb immer eine große Scheu hegte, aber auch eine große Verehrung.
Meerjungfrauen sind oft überaus hübsch und verführerisch. Auch auf Amrum spürt man das Meer fast überall. Und plötzlich steht sie da: hüftlanges wallendes Haar, den Kopf keck zurückgeworfen und die Brust bedeckt von lockiger Pracht; üppige Weiblichkeit oben. Und unten anders; man ahnt bereits, wie, und freut sich, eine gefunden zu haben – in Nebel auf Amrum steht die Skulptur einer Meerjungfrau. Im Garten von Tanja Wegner-Weiseth, nicht aus Schaum geboren oder tief im Meer, sondern aus ganz gewöhnlichem Holz geschnitzt. Die schöne Skulptur vom Uasterstigh ist längst zu einer Attraktion auf der Insel geworden.
„Ich musste im Garten einen Baum fällen“, erinnert sich Tanja Wegner-Weiseth, die dort in Nebel auch eine FeWO vermietet, „und übrig blieb ein Stamm von gut zwei Metern Höhe.“ Daraus wollte sie etwas machen. Nur wie, nur was? „Schließlich habe ich mich entschieden – es sollte eine Meerjungfrau werden. Der Deal war einfach: eine Woche Urlaub auf Amrum gegen das Schnitzen einer Skulptur.“ Es reiste an: der Kettensägenkünstler Florian Lindner. Aus einem Stamm etwas Schönes zu schaffen, ist immer wieder eine Herausforderung, der Stamm in Nebel erwies sich zudem als unbrauchbar und ein neuer wurde organisiert. Holz-Flori zauberte, und an drei Vormittagen entstand die Skulptur.
Es ist ein richtiges Kunstwerk geworden. „Im Winter kommt die ins Haus, sonst friert sie ja, aber sobald der vorbei ist, steht meine Meerjungfrau wieder im Vorgarten“, sagt Tanja Weger-Weiseth. Und dann werden es wieder schöne Begegnungen mit Spaziergängern und Passanten sein, denn die Skulptur des Meerweibes ist mehr als nur eine kleine Sehenswürdigkeit auf Amrum. „Die Leute freuen sich, die Meerjungfrau zu entdecken. Viele Inselgäste haben Zeit und Muße zur Betrachtung, mit manchen komme ich ins Gespräch – da ist Interesse, die wollen was wissen.“ Die Meerjungfrau ist eben doch mehr als nur eine nette Idee.
Was sieht man in der Meerjungfrau? „Es liegt natürlich alles im Auge des Betrachters“, meint Tanja Wegner-Weiseth, „…und jeder kann sich seine Gedanken machen.“ Sie selbst betrachtet die Meerjungfrau als eher praktisch und ohne allzu viel mystisches Drumherum. Aber doch: „Das Märchen von der Kleinen Meerjungfrau kennt fast jeder, mit Meerjungfrauen assoziiert man sofort Sagen – das sind mystische Figuren.“ Und solche vom Meer, das auf Amrum nicht weit weg ist und überall zu spüren. „…vielleicht ist da doch mehr. Ich bin ja selbst eine Meerfrau“, sagt Tanja Wegner-Weiseth, halb ernst, halb im Spaß. „Ich stamme aus Hamburg, habe in Skandinavien gelebt und lebe nun seit vielem Jahren auf Amrum. Ich liebe das Meer, bade und schwimme gern in der Nordsee.“
Schwimmen, ja klar! – vielleicht zeigen sich Meerjungfrauen IM Wasser. Sind die Phantastischen der Fluten doch Wesen des Wassers; … locken sie denn nicht genau dort hinein? Auf Sylt, da soll es sie geben. „Wir haben Mermaiding-Kurse seit mehreren Jahren angeboten“, sagt Anna Brosowski von Insel Sylt Tourismus-Service, „sie sind sehr beliebt, das ist ein echter Trend. Hauptsächlich lernen Kinder mit ihren Eltern zu schwimmen wie eine Meerjungfrau – dann machen sogar Männer, also die Väter, mit.“ Die Kurse fanden in der Sylter Welle in Westerland auf Sylt statt und es sind in der Regel aber Mädchen und Frauen, die mit Monoflosse und Delfin-Stil durchs Becken gleiten.
„Aufgrund der Corona-Pandemie mussten wir allerdings das Kurs-Angebot einschränken, daher finden aktuell Mermaiding-Kurse nicht statt“, sagt Anna Brosowski. „Unsere Syltine, Tauchlehrerin und Rettungsschwimmerin, hat die Kurse geleitet. Dabei lernen die angehenden Meerjungfrauen oder Wassermänner, mit einer sogenannten Monoflosse, also einem ab der Hüfte geschlossenen Badeanzug mit Flosse, per Hüftschwung zu schwimmen. Tatsächlich wird eher unter Wasser geschwommen. Hat man den Dreh raus, kommen Übungen wie Rollen oder das Schwimmen durch Ringe hinzu.“
“Sobald die ersten Kurse wieder stattfinden können, werden wir die Termine auf unserer Website www.sylterwelle.de bekanntgeben.” vertröstet Anna Brosowski alle, die auch einmal lernen möchten, wie eine Meerjungfrau zu schwimmen.
Meerjungfrauen – einfach phantastische Geschöpfe, die hier und da auftauchen, um dann wieder abzutauchen ins Nordseewasser, hinabgleiten in eine andere Welt.