Franz W. Faeh lebt seinen Bubentraum: Er ist Culinary Director im Gstaad Palace. Denn schon als kleiner Kerl marschierte er auf dem Weg zur Schule am Wahrzeichen von Gstaad vorbei und wurde in seinen Bann gezogen. Faeh hat die Lehre von 1978 bis 1981 im Palace absolviert, bevor er nach Asien aufbrach, wo er 13 Jahre für die Regent-Gruppe in Hongkong, Jakarta sowie Bangkok tätig war. Sozusagen als Geburtstagsgeschenk wurde er letzte Woche vom renommierten Wirtschaftsmagazin BILANZ zum «Hotelkoch des Jahres 2021» gekürt. Was treibt Faeh an? Wo holt er seine Inspiration? Und was tut er, wenn er nicht arbeitet? Tageskarte hat im Berner Oberland nachgefragt.
Herr Faeh, vor ein paar Wochen sind Sie 60 geworden – und just jetzt sind Sie von der BILANZ zum Hotelkoch des Jahres 2021 ausgezeichnet worden. Was freut Sie mehr?
Beides freut mich sehr. Ich bin 60, ich bin im Gstaad Palace – dort, wo ich immer hinwollte. Ich stehe also gewissermassen im Zenit meiner Karriere. Und ich bin fit und voller Ideen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. In einem Beruf, der einem doch ziemlich viel abfordert.
Und wie lautet das Geheimrezept?
Das verrate ich Ihnen selbstverständlich nicht… (lacht). Ernsthaft: Man muss sich viel bewegen, Sport machen. Ich bike viel, schlafe genug. Und in der Zwischensaison pausiere ich, gehe reisen, um ganz viele neue Inspirationen zu gewinnen.ANZEIGE
Wenn wir gerade beim Thema Inspiration sind – wer sind denn Ihre Vorbilder?
Im Bereich Gastronomie sind es Norbert Niederkofler und Reto Mathis. Im Sport ist es Michael Schumacher. Und in der Musik sind es AC/DC mit ihren Songs «Highway to Hell» oder «Hells Bells».
Sie haben bei Ihrer Rückkehr ins Palace, als sie das Zepter von Peter Wyss und Hugo Weibel übernahmen, eine Evolution und keine Revolution versprochen. Was heisst das konkret?
Ich bin kein Fan von grossmundigen Philosophien. Vielmehr vertraue ich auf das Produkt, auf meine Erfahrung und Intuition. In der Palace-Küche stellen wir konsequent die Ingredienzen und deren wahren Goût in den Vordergrund. Kreativität ist nie Selbstzweck, sondern dient immer dem Geschmackserlebnis. Die Menüs sind in den letzten Jahren internationaler geworden, die Rezepturen sicherlich leichter – mit weniger Crème double und weniger Butter. Und die Präsentation kommt ein wenig verspielter daher als früher.
Eine indiskrete Frage: Haben Sie ein Tattoo?
Nein – wieso fragen Sie?
Die Auguren der BILANZ sagen über Sie, Sie seien «keiner dieser modernen tätowierten Chefs, die nicht müde würden, über sich selbst zu plaudern und am liebsten ihre Initialen in die Gerichte eingravieren würden. Viel mehr glaube man, Ihnen anzumerken, dass Sie jede Form von Selbstdarstellung gar nicht mögen, sondern viel lieber in der Küche stehen, um den nächsten Gang zuzubereiten.» Mussten Sie schmunzeln, als Sie das lasen?
Ja, definitiv. Die Beschreibung trifft durchaus zu. Ich koche nicht, um mich selbst zu verwirklichen. Sondern ich koche, um meine Gäste glücklich zu machen. Am liebsten bin ich draussen bei den Leuten und höre, wonach es sie gerade gelüstet.
Apropos: Wie halten Sie es mit den Klassikern?
Ich liebe sie – und die Palace-Gäste ebenso. Es führt kein Weg vorbei an der legendären Regenbogenforelle an Schnittlauch-Weissweinsauce oder am Clubsandwich mit Suprême de poulet grillé. Auch ein feiner Burger darf nicht fehlen. Und auf der neuen Karte für die Bar beim «PISCINE» zelebrieren wir unter anderem die gute alte Tavolata. «Sharing is caring», auch beim Essen.
Wenn Sie einen Wunsch offen hätten – was fehlt Ihnen als Culinary Director im Palace?
Ich hätte zwei Wünsche: Erstens hätte ich gerne einen Foodtruck, mit dem wir zu den Gästen in den Städten fahren. Street Food ist meine wahre Leidenschaft. Zudem hätte ich gerne einen Ort in unserem wunderbaren Haus, wo wir die Leichtigkeit des feinen Genusses – total informell – ausspielen können. Besitzer Andrea Scherz und ich entwickeln dazu neue Pläne. Wäre nicht Covid dazwischengekommen, wären wir bereits am Ziel. Mit der neuen Bar am «PISCINE» haben wir einen ersten Schritt dahin gemacht.
In der Küche herrschen bekanntlich raue Sitten. Wie würden Sie Ihre Führungsphilosophie umschreiben?
Die Zeiten der Diktatoren in Hotelküchen sind definitiv vorbei. Wenn Sie mit jungen Menschen heute Erfolg haben wollen, dann müssen sie diese zu motivieren wissen. Ich binde meine Leute bewusst ein – vom Entwickeln neuer Gerichte über das Austüfteln bis zum Anrichten. Learning by doing ist immer noch das beste Rezept.
Sprich: Sie sehen Sich wie im Sport als Coach oder Spielmacher?
Absolut. Ich gebe laufend Impulse und Ideen, liefere Stichworte, die meine Kolleginnen und Kollegen dann weiterspinnen. Ab und zu muss man auch einen Spruch fallen lassen, Humor entspannt. Nie erhebe ich den Anspruch, etwas besser zu wissen. Im Team pflegen wir einen kollegial-familiären Austausch.
Und kommt das bei den Jungen gut an?
Ich glaube schon. Jedenfalls ist spürbar, dass ich auf dem Boden der Realität geblieben bin.
Ist es eigentlich schwierig, heute gute Leute in der Küche zu finden?
Leider ja. Früher standen sich die Leute die Füsse in den Bauch, um im Gstaad Palace eine Kochlehre machen zu dürfen. Als ich Lehrling wurde, hatte ich rund 50 Mitbewerber. Es war eine grosse Ehre, hier das Handwerk zu erlernen. Heute sieht das komplett anders aus.
Nämlich?
Wenn wir eine Ausschreibung machen, dann bewerben sich gerade mal vier, fünf Talente. Die Tatsache, dass wir unregelmässige Arbeitszeiten haben, schreckt viele ab. Auch die harte körperliche Arbeit ist ein Hinderungsgrund, den ich oft höre. Ich meinerseits liebe genau diesen Challenge. Das ist wie Hochleistungssport. Und dass man gut ein halbes Jahr zum Durchatmen hat, ist auch nicht ohne. Aber eben: Ich bin wohl ein Auslaufmodell.
Man kann es auch anders sehen: Sie haben es buchstäblich weit gebracht. Sie haben lange in Asien gelebt. Sogar für die königliche Familie in Thailand waren Sie tätig. Was lieben Sie an der die asiatischen Küche?
Ich mag sie, weil sie leicht und bekömmlich ist. Zudem arbeitet sie mit klaren Geschmäckern. Und wenn man diese schön komponiert, dann kann man so richtige Explosionen im Gaumen kreieren. Genau diese Raffinesse spielen wir aus – und dies schätzen unsere Gäste, die ja mehrheitlich weit gereist sind.
Das Auge isst mit, heisst es so schön. Wie wichtig ist Ihnen die Kunst des Anrichtens?
Ich mag keine Dekorationsorgien. Weniger «Chichi» ist mehr. Auch da habe ich viel auf meinen Lehr- und Wanderjahren in Asien gelernt. Unsere Teller sollen für sich sprechen: Eine Augenweide, die im Mund hält, was das Auge verspricht, sollen sie sein.
Sie sagen von sich, Sie hätten Ihre Traumstelle erreicht? War es wirklich immer Ihr Kindstraum, Küchenchef im Gstaad Palace zu werden?
Dem ist wirklich so – ich pflege nicht zu kokettieren. Die Rückkehr ins Palace war ein ganz bewusster Schritt. Ich bin im Badweidli aufgewachsen. Mein Schulweg führte mich Tag für Tag am Palace vorbei. Wie jeder Einheimischer blickte ich stolz und zugleich scheu den Hügel hoch. Mein Grossvater, auch mein Vater schon, durften im Gstaad Palace arbeiten. Sie waren die Hoffotografen der Familie Scherz. Und so schwor ich mir: Eines Tages werde ich dort Chef.
Und wie kam’s dann effektiv dazu?
Das war ganz einfach. Eines Tages griff ich zum Hörer. Ich hatte meine Arbeit im Vieux Manoir in Murten abgeschlossen und war auf der Suche nach etwas Neuem. Da dachte ich mir: Ruf doch mal Andrea Scherz an. Der braucht eine Nachfolgelösung. Nach zwei Treffen bei einem Espresso waren wir uns einig. Und da bin ich, sechs Jahre nun schon wieder!
Nun sind Sie 60 – und müssen sich schon bald mit Ihrer Nachfolge befassen. Oder nicht?
Jetzt aber mal langsam… (lacht). Klar macht man sich seine Gedanken. Aber seien Sie versichert – fünf Jahre gebe ich sicherlich noch Vollgas. Und wie die Welt dann ausschauen wird, das wissen wir heute weniger denn je. Klar ist: Wir haben viele Talente in den eigenen Reihen. Und es reizt mich enorm, meinen Beitrag für eine kluge Fortsetzung der Palace-Tradition zu leisten.
Über das Gstaad Palace
Das erstklassige Fünf-Sterne-Superior-Hotel Gstaad Palace, das im Dezember 1913 erstmals seine Türen öffnete, befindet sich seit drei Generationen im Besitz der Familie Scherz und gehört damit zu den letzten familiengeführten Häusern Europas, wo Persönlichkeiten eine Gastgeberkultur erster Klasse leben. Die 90 Zimmer und Suiten des Saisonhotels mit aussergewöhnlichem Panorama auf das Berner Oberland vereinen gekonnt zeitgenössischen Glamour mit alpiner Behaglichkeit. In fünf Restaurants kredenzt das Wahrzeichen Gstaads schweizerische, italienische und internationale Spezialitäten sowie eine mit 15 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnete Gourmetküche. Der hoteleigene Nachtclub GreenGo ist bekannt für legendäre Partys und sein illustres Publikum. Im Palace Spa werden auf 1800 Quadratmetern die Sinne der Gäste verwöhnt. Im Sommer stehen ein Olympisches Aussenschwimmbad und vier Tennisplätze zur Verfügung. Mit der Walig Hütte, einer Alp aus dem Jahre 1783 auf 1700 Metern über Meer, verfügt das Gstaad Palace über ein einzigartiges Refugium, wo Gäste den wahren Luxus des Saanenlands, die Ruhe, Beschaulichkeit und Authentizität, hautnah erleben können.