Dem Himmel entgegen klettern. Auf dem Gipfel die unendliche Weite der Bergwelt fühlen. In den Sextner Dolomiten führen viele Wege nach oben. Abwechslung garantiert: auf dem Friedensweg entlang von ehemaligen Kriegsschauplätzen, durchs Berginnere hinauf oder auf tibetischen Hängebrücken über Felsschluchten. Wenn im Spätsommer die Temperaturen nicht mehr ganz so schweißtreibend sind, lockt die Bergwelt der Dolomiten als Outdoor-Erlebnispark.
Klettersteigrunde „Dolomiten ohne Grenzen“: Friedenswandern. Wanderfrieden.
In neun Tagesetappen auf 108 Kilometern Grenzen überwinden: Die eigenen physischen und mentalen. Die österreichisch-italienische Ländergrenze. Die zwischen Mensch und Natur. Zwölf Klettersteige führen auf dem alpinen Friedensweg „Dolomiten ohne Grenzen“ über die Gebiete des Cadore, der Dolomitenregion Drei Zinnen bis hin zum Osttiroler Gailtal. Und entlang alter Kriegssteige, Schützengräben und Galerien. Wo einst Geschützdonner von den Felswänden widerhallte, sollen die friedlichen Wanderer die sensationelle Landschaft als einen Ort der Versöhnung erleben. Im Gefühl vollkommener Freiheit. 17 Schutzhütten im Dolomiten UNESCO Welterbe bieten den internationalen Wanderern Einkehrmöglichkeiten. Und die Gelegenheit mit anderen Nationalitäten ins Gespräch zu kommen. Eine Zustiegsmöglichkeit für Grenzgänger ist an der Talschlusshütte in Sexten.
Der Severino Casara: Geheimtipp mit Adrenalinkick
Bizarre Berglandschaften und imposante Schluchten. Die Felsformation am 2015 eröffneten Klettersteig führt in einer mittelschweren Tour in eine andere Welt. An der Südseite des Berges entlang, vorbei an der Büllelejochhütte, der höchstgelegenen Schutzhütte in den Sextner Dolomiten. Zu Beginn und am Ende des Steigs sind Vertrauen in die Technik und Schwindelfreiheit gefordert. Auf zwei tibetischen Hängebrücken suchen die Hände an Stahlseilen Halt, während die Füße auf Holzplanken schwankend, scheinbar bodenlose Schluchten überqueren. Dazwischen können die Kletterer an kniffligen Kletterpassagen ihr Können beweisen. Spätestens wenn sich wie durch ein überdimensionales Bullauge in der Felswand der Blick auf die umgebende Bergwelt auftut, hat sich die Mühe gelohnt. Selbst unter echten Dolomitenkennern gilt der Klettersteig mit Start bei der Fischleinboden-Hütte noch als echter Geheimtipp.
Der Innerkoflersteig: Durch den Stollen auf den Gipfel
Wenn man sich den Kanonendonner vorstellt und das lange, bange Warten im Feuchtdunkel, immer in Angst vor dem nahen Feind, bekommt der steile Anstieg durch die Galleria Paterno fast etwas Beklemmendes. Trotzdem sollten sich geschichtsinteressierte Tourengeher den Innerkoflersteig nicht entgehen lassen. Der nach dem berühmten Dolomitenkletterer Sepp Innerkofler benannte Kriegssteig verläuft entlang der ehemaligen italienischen Frontlinie und führt durchs Berginnere auf den Paternkofel. Waren die Soldaten einst froh, wenn sie lebend aus dem Stollen und wieder runter ins Tal kamen, können die Kletterer heute entspannt die Stirnlampe ausknipsen, wenn sie aus dem Stollen treten. Und in Ruhe die spektakuläre Aussicht auf die Nordwände der Drei Zinnen genießen. Wer nicht genug bekommt von der Bergwelt bei Sexten: Via Schartenweg erweitert sich der Abstieg zur Rundtour.
Der Toblinger Knoten: Kurz und knackig
Armkraft ist gefordert, wenn es am Toblinger Knoten in die Leitern geht. Wer die relativ kurze, dafür anspruchsvolle Kletterei durch die Nordwand packt, hat den Testlauf für die Welt der schweren Steige bereits bestanden. Wäre der Klettersteig am Toblinger Knoten länger, würde er selbst in die Liste der schwierigen Steige eingereiht. Zunächst führt ein breiter Schotterweg zum Paternsattel, dann weiter zur Drei-Zinnen-Hütte. Dahinter beginnt der Anstieg zum Toblinger Knoten, wo der Einstieg in die Nordwand liegt. Kurz, extrem steil, komplett mit Stahlseilen und Leitern gesichert, lautet sein Steckbrief. Bergerfahrung, Armkraft und absolute Schwindelfreiheit sind in den überaus luftigen Passagen Grundvoraussetzung. Vom Gipfel geht der Rückweg über die Nordostflanke über einige ungesicherte, exponierte Stellen, im Rest größtenteils Stahlseil-gesichert, zurück zur Drei-Zinnen-Hütte.
Der Alpinisteig: Für Vaterland und Wanderer
Die Ehrfurcht ist greifbar, wenn es um die Alpini geht. Die Gebirgsjägertruppe mit schwarzer Feder an grünem Hut gilt für die Italiener fast als Heilige der Berge: ihrer Verdienste pro Patria wegen. Auf dem Alpinisteig in den Sextner Dolomiten wird nachvollziehbar warum: Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Klettersteigerfahrung sind Voraussetzung für den Klettersteig, der als kühnster, großartigster, aber auch schwierigster Höhenweg Südtirols gilt. In Friedenszeiten eine Herausforderung an Kondition und Können. Damals mit schwerem Marschgepäck ein lebensbedrohliches Unterfangen: senkrechte Felswände werden querend auf dem Salvezzaband zu einer kaminartigen Schlucht, die Wände liegen nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Eisenleitern, Fixseile, ausgesetzte Geröllbänder und teilweise nasser Fels prägen den Alpinisteig. Über 40 Eisenklammern führen fast senkrecht nach oben. An der Sentinellascharte bleibt der Schnee bis in den Sommer. Der Feind taucht am ehemaligen Wachposten nicht mehr auf. Aufmerksamkeit ist trotzdem gefragt: Das hochalpine Gelände verzeiht keinen Fehltritt.