Gegen winterliche Verstimmungen helfen manchmal kulinarische Errungenschaften. Das Departement Aude im südfranzösischen Languedoc hat dabei eine ganze Apotheke an Spezialitäten, die den Gaumen garantiert in höheren Sphären schwelgen lässt. Einige davon lassen sich auf der Tafel für die kommenden Festtage inszenieren, andere sind tolle Seelennahrung, die sich schon über Jahrhunderte als Hausmittel bewährten. Eines haben sie aber gemeinsam. Hinter ihnen stehen leidenschaftliche Menschen, die mit Herzblut entwickeln und produzieren. Es lohnt sich, diesen Leuten vor Ort über die Schulter zu schauen. Als Bonus gibt es ein paar Sonnenstrahlen aus dem Midi.
Digitalisierte Austern aus Leucate
Was in Frankreich Tugend ist hier manchmal noch in der Jugend und umgekehrt. In Sachen Gastronomie entspricht das eher der Tatsache. Dass zur Weihnachtszeit Austern genossen werden, verbreitet sich aber auch hierzulande. Müssen es Austern von der Atlantikküste sein? Und weshalb sollten sie besser schmecken? Christoph vom Maison Allary in Leucate experimentiert gerne und tüftelte rund um die Austernzucht. Seine Caramoun-Austern gedeihen in Tischkultur, wozu es die Tiden braucht. Da das Mittelmeer und der Mond nicht so kommunikativ sind, sprich Ebbe und Flut gering ausfallen, musste eine Lösung her. Mittlerweile kann er die Austerntische mittels Befehl auf dem Smartphone aus dem Wasser ziehen, um den Zöglingen die Ebbe vorzutäuschen. Die Caramoun-Auster weist festeres Fleisch auf und ist intensiver im Geschmack. Dafür erhielt er an der Landwirtschaftsmesse 2018 in Paris die Goldmedaille. Wer in die Austernzucht am Mittelmeer eintauchen will, der besucht das Fischerdörfchen in Leucate, wo man auch auf Christophe trifft. Es versprüht Authentizität mit den kleinen Hütten, Fischernetzen und Bergen von Austernschalen.
Kraftfutter zum Überwintern
Ein gutes Cassoulet gehört zu den landestypischen Speisen Okzitaniens. Dass es Kraft spendet, besagt schon die Legende seiner Entstehung. Angeblich wurde es bei der Belagerung Castelnaudarys im Hundertjährigen Krieg erfunden. Die Bevölkerung, die die französischen Truppen versorgen musste, trug alles Essbare wie Speck, Saubohnen, Würste sowie Fleisch zusammen und schmorte es in einer großen Schale. Fertig war das Cassoulet, was den Soldaten soviel Kraft gab, dass sie die Engländer bis an den Ärmelkanal vertrieben. Inzwischen ersetzte man Saubohnen durch weiße Bohnen und es wird in der getöpferten „Cassole“ zubereitet. Seitdem es Prosper Montagné, ein bekannter Küchenchef aus Carcassonne, in seinem Buch „Le Festin Occitan“ rühmte, ist es in den okzitanischen Restaurants nicht mehr von der Speisekarte zu denken. Dabei gibt es das Cassoulet von Castelnaudary, von Carcassonne und von Toulouse. Drei Varianten mit unterschiedlicher Fleischbeigabe. Die Zubereitung ist aber bei allen dieselbe. Es soll auf sanftem Feuer lange geschmort werden. Dabei mischt man die gebildete Haut mehrere Male unter. Sieben Mal lautet die goldene Regel, dann geht nichts mehr schief.
Von der Sonne verwöhnt, im Winter geerntet
Rund ums Mittelmeerbecken gehören Olivenbäume zum Landschaftsbild. So ist das auch im Departement Aude, wo vorwiegend die Sorte „Lucques“ gedeiht. Man erkennt sie an ihrer Halbmond-Form, dem kleinen Kern und der zarten Haut. Seit 2017 darf sie sich mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung schmücken. Ungefähr ab November wird die Lucques-Olive traditionell von Hand geerntet, während die letzte Ölmühle auf Hochtouren läuft. „L’Oulibo“ ist die einzige Genossenschaftmühle, die dem Aude nach dem Frost von 1956 erhalten blieb. Sie setzt sich für dieses mediterrane Kulturgut ein und erhält Oliven von rund tausend Genossenschaftern aus den Departements Aude, Hérault und Pyrénées Orientales. Ob eingelegt oder zu Öl gepresst, die Qualität des Produkts steht im Vordergrund. Aber auch Besucher tauchen ins Oliven-Universum ein. Ob Tapenade-Workshop, geführte Besichtigung durch Olivenhaine, Museum oder Verkostung – die Genossenschaftmühle versteht ihre Mission im Erhalt dieses für die Region so typischen Handwerks.
Trüffelschweine und schwarze Diamanten
Zu den winterlichen Delikatessen des Südens gehört auch die schwarze Trüffel. Botanisch Tuber Melanosporum genannt verbreitet sie auf gewissen Märkten ihr unwiderstehliches Parfüm. Villeneuve-Minervois ist eines der Trüffelstädtchen des Departements Aude, wo der Edelpilz von November bis Februar quasi Omnipräsenz genießt. Denn in fast jedem Lebensmittelladen findet man Produkte, die mit Trüffel verfeinert sind. Butter mit Trüffel, Eier und Trüffel im Glas für Rührei oder Brie mit Trüffel gefüllt und vieles mehr. Die Brüderschaft „los Trufaïres de Vilanòva de Minerbés“ ist die einzige ihrer Art im Languedoc und organisiert den Trüffelmarkt sowie andere Veranstaltungen, die den schwarzen Diamanten, aber auch die Sommertrüffel promoten. Das Maison de la Truffe in Villeneuve-Minervois erklärt dabei alles, was Trüffel-Liebhaber wissen sollten und verkauft qualitätsgeprüfte Ware.
Der Ahnherr des Champagners
Dank verschiedener Landschaftstypen, Bodenbeschaffenheit, Klima und der Vielfalt an Rebsorten findet man im Departement Aude acht geschützte Ursprungsbezeichnungen für Wein. Wer eine Schwäche für Schaumwein hat, sollte die AOP Limoux kennenlernen. Ab dem Jahr 1531 ist schriftlich belegt, dass die Mönche der Abtei St. Hilaire die Herstellung der Blanquette de Limoux beherrschten. Also ein gutes Jahrhundert bevor man die ersten Champagner kannte. Man geht davon aus, dass die Blanquette du Limoux einer der ersten Schaumweine der Welt ist. Heutzutage gibt es neben der Blanquette auch eine ursprüngliche Methode, die „Méthode ancéstrale“, sowie einen Crémant. Um dieses Prädikat ordentlich in Szene zu setzen, findet in einer Gemeinde der AOP jeweils am Palmsonntag-Wochenende das Event „Toques & Clocher“ statt. Es ist die Gelegenheit, die Weine direkt bei den Winzern zu degustieren. Höhepunkte der Veranstaltung sind einerseits die Weinversteigerung, die der Renovierung der Kirchentürme in den Ortschaften der geschützten Ursprungsbezeichnung dient. Andererseits findet ein Gala-Dinner statt, bei dem namhafte Chefs das Menü gestalten.